
Zum Bergisch Metal Jubel-Jubiläum habe ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Um Euch die Bands, die Ihr im Ufo auf der Bühne erleben werdet näher zu bringen, werde ich mit jeder Band ein Interview führen und hoffe, dass ich es bis zum Jahresende schaffe, Euch die sechs Bands des Line-ups vorzustellen. Ja, es werden sieben Bands spielen, aber mit meiner eigenen Truppe mache ich kein Interview. Das wäre albern.
Das erste Interview führte ich mit Elena, Sängerin, Gitarristin und Gründerin von Crescendium.
Wie kam dir die Idee Musik zu machen? Was war zuerst da: der Metal, ein Instrument oder der Gesang?
Musik hat mich, wie so viele, durch Lebensphasen gebracht und hat mich überleben lassen. Als ich Kind war, wurde zu Hause schon Dio, Sabbath & Jethro Tull gehört. Ich habe mich, nach ein paar Jahren Blockflötenunterricht, langsam an die Gitarre rangetastet, bis ich mit 12 endlich eine eigene E-Gitarre mit Combo Amp hatte. Dann habe ich mich tagelang allein mit dem Instrument eingeschlossen und nur rumprobiert, wie ich welche Sounds hinbekomme und wie das Ding denn eigentlich funktioniert haha…Habe Jimi Hendrix, Creedence Clearwater und AC/DC gespielt… Mit 13 hab ich mich dann in Children Of Bodom & Metallica verliebt und angefangen, mit Alexi Laiho mitzuschreien…so kam ich dann autodidakt zum Screaming. In den folgenden Jahren habe ich Unterricht genommen und probiert, mich stetig zu verbessern. Klarer Gesang kam erst spät, mit 20.
Du sagst, die Musik hat dich überleben lassen. Ich würde mal raten, dass die Lebensphasen von denen du sprichst, nicht gerade einfach oder schön waren. Möchtest du darüber etwas erzählen?
Die Thematik passt hervorragend zu unserem kommenden Crescendium Album „Within“. Ich habe darin abgrundtief düstere Phasen verarbeitet und jeder Song ist schließlich einer psychischen Krankheit gewidmet. Wir alle gehen durch schwierige Lebensphasen, manche haben mehr Last zu tragen, andere weniger. Meine Vergangenheit ist düster und ich musste mich immer wieder durchbeißen. Ich weiß wie es ist, wenn man sich allein durchschlagen und mit Ungerechtigkeiten fertig werden muss. Das hat mich allerdings auch gelehrt, dass Aufgeben keine Option ist, egal wie tief man gesunken ist. Jeden Moment können wir Entscheidungen treffen, die uns wieder ins Licht lenken. Und man sollte sich immer wieder fragen: Ist mein Umfeld gesund für mich oder sollte ich es loslassen und woanders hingehen?
Jedenfalls hat in deinem Fall mal die musikalische Früherziehung funktioniert. Ich vermute, die Entscheidung nicht nur andere Sachen nachzuspielen sondern selbst Songs zu schreiben hat schon früh festgestanden, oder? Wie sah deine erste Erfahrung mit einer Band aus?
Haha ja genau. Anfangs habe ich crappy Black Metal Songs geschrieben, die kann ich niemandem mehr zeigen. Aber man verbessert sich mit der Zeit, so ist das ja bei jedem. Meine erste Band hieß ganz trve „Funeral Of God“ und wir haben größtenteils HIM gecovert. Danach folgte eine Punkband, mit der wir nur Rotzmusik gemacht haben und eine kurze Phase mit einer Keller-Black Metal Band. Bis ich dann mein erstes seriöseres Projekt hatte. Wir haben regionale Gigs gespielt und hatten einen kleinen Namen, oben in Ostfriesland. Mit der Band habe ich angefangen, richtige Hooks und Riffs zu schreiben, für die man sich nicht mehr schämen muss haha. Allerdings ist mir auch da schon früh aufgefallen, wie schwierig es ist, eine Band zusammenzuhalten und zu leiten.
Wahrscheinlich versteckt jeder Musiker seine ersten Machwerke im Keller. Meine frühen Songs würde ich auch keinem vorspielen. Crescendium hast du 2018 ins Leben gerufen, richtig? Wie ich auf den Fotos auf eurer Facebook-Seite gesehen habe, gab es da auch schon mehr als eine Umbesetzung. Was ist so schwer daran, eine Band zusammenzuhalten? Man sollte meinen, die Musiker haben alle ein Instrument gelernt, weil sie gerne in einer Band spielen und sie sollten auch mit viel Arbeit und langen Durststrecken kein Problem haben. Diese Dinge lernt man ja schon kennen, wenn man anfängt ein Instrument zu lernen. Was geht da immer schief?
Haha das stimmt vermutlich. Crescendium hat eine chaotische Story hinter sich, wurde immer wieder zerbrochen und neu aufgebaut. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Bandmembers anfangs motiviert sind aber mit der Zeit ihre Prioritäten verschieben. Ich habe ordentlich Feuer im Hintern und wenn ich etwas ernst meine, dann gebe ich 200%! Sobald Crescendium seriöser wurde, haben viele keine Lust mehr gehabt. Da wurde eher davon ausgegangen, dass mal entspannt nach der Arbeit im Proberaum gespielt wird und das wars…. während ich immer den Kopf voller Gigs und wahnwitziger Ideen habe, die ich realisieren möchte. Und dann gibt es noch Menschen, die sind von Grund auf kompliziert, sei es, weil sie ein Riesenego haben und nur an sich selbst denken oder weil sie einen vorrangig als Frau und nicht als Musikerin sehen. Ich bin oft gegen Wände gerannt und musste dann die Band mühsam wieder neu aufbauen.
Bevor ich auf euer kommendes Album zu sprechen komme, möchte ich an anderer Stelle nachhaken. Was du schilderst, wird jedem Musiker der es ernst meint nur allzu bekannt vorkommen. Wie es sich anfühlt, weniger als Musiker wahrgenommen sondern auf das Geschlecht reduziert zu werden, dürfte bei männlichen Kollegen eher unbekannt sein. Ist dir diese Erfahrung auch an anderer Stelle in der Metal-Szene begegnet?
Wenn man als Frau gelesen wird, begegnet das einem sowieso alltäglich und überall. Ich kenne zum Glück einige Männer, die einen auf Augenhöhe und mit normalem Respekt behandeln. Allerdings kenne ich das andere Extrem auch zu Genüge. Sei das auf Konzerten oder im Alltag – als Frau hat man in der Regel eine andere Experience und muss sich unter anderem damit auseinandersetzen, wie man am sichersten nach einem Konzert nach Hause kommt, ohne verletzt zu werden. Ich habe mal bei einem Punk Konzert einen Gastauftritt gehabt und mir wurden KO-Tropfen ins Getränk gemischt. An dem Abend ist nichts Schlimmeres passiert und ich hatte Glück, außer dass ich mit den körperlichen Folgen der Vergiftung zu kämpfen hatte. Aber das sind Erfahrungen, denen man ausgesetzt ist, weil es Monster gibt, die Frauen nicht als Menschen sehen.
Ehrlich gesagt, fällt es mir auch schwer, nachzuempfinden wie es ist, mit solchen Gedanken, Erfahrungen und Erwartungen durch die Welt zu gehen. Ich hoffe, es ist für die männlichen Leser hilfreich, deine Worte zu lesen um wenigstens den Versuch unternehmen zu können, diese Perspektive zu fühlen.
Zurück zu angenehmeren Themen: euer Album erscheint im November und es gibt einen zünftigen Release-Gig in Göttingen. Du kannst ruhig Eigenwerbung machen und uns verraten, wann und in welcher Location der stattfindet und wer euch supporten wird.
Das hoffe ich auch! Es ist immer toll, wenn Männer sensibel für andere, sehr reale Perspektiven sind und sich trauen, sich damit auseinanderzusetzen. Ja ich freue mich wie ein Stier auf unser Album! Die Songs habe ich über die letzten Jahre mit Herzblut geschrieben. Danach habe ich mich mit unserem großartigen Produzenten Nikke wochenlang in Finnland hingesetzt, wo wir meine Kompositionen und Arrangements verarbeitet haben, während er die Drums & die Produktion übernahm. Die kommenden Gigs sind der 21.10. in Hannover und der erwähnte Release Gig am 25.11. im Freihafen in Göttingen, mit den Black Metallern von Verderbnis. Bei den Dudes durfte ich letzte Woche schon einen Gastsong performen, das wird dann in Göttingen wieder passieren. Es wird eine dicke Party und Triple Release Show von allen Bands!
Du hast demnach das Album mehr oder weniger im Alleingang komponiert, getextet und vorbereitet? Respekt! Wie viele Songs werden auf „Within“ zu hören sein?
Danke! Die Songs stammen aus meiner Feder, allerdings props auch an unseren besagten Finnen, der die Drums eingespielt und mit mir an den Arrangements gefeilt hat. Ganz großartiger Musiker! Mit „Within“ ballern wir 6 sehr unterschiedliche Tracks und 2 Instrumentals in die Welt. Von Black, über Death, hin zu Progressive Metal und orchestralen Streichern ist hier alles dabei. Aber stets emotional und düster. Auch gesanglich habe ich mich ausgetobt und viel Farbe in die Songs gemalt.
Bei dem vorab veröffentlichten Song „Dead Air“ war auch ein Bild zu sehen. Ist das das Artwork vom Album? Es würde mich jetzt kaum noch wundern, wenn du das auch selbst gemacht oder wenigstens dem Künstler die Idee dazu geliefert hast.
Hahaha korrekt, das Single Artwork von „Dead Air“ stammt von mir. Das Album Artwork allerdings habe ich in Kollaboration mit einem indonesischen Künstler anfertigen lassen. Es sieht noch etwas pompöser und detaillierter aus. Natürlich darf unser Maskottchen, der Drache, darauf nicht fehlen.
Was treibst du, wenn du nicht mit deiner Band beschäftigt bist? Bist du im Studium oder gehst du einem normalen Job zwecks Füllen des Kühlschranks und Zahlen der Miete nach?
Wenn ich mal kurz nicht meine Band im Kopf habe, arbeite ich als Vocal Coach und in unterschiedlichen Teilen des Musikbusiness. Außerdem schreibe ich im nächsten Jahr meine Masterarbeit, auch über die Musikbranche yeah! Es gibt wenige Momente, in denen Musik nicht Teil meines Alltags ist. Ich mag aber auch komplette Stille und haue gelegentlich für ein paar Tage allein in die Natur ab und mache mein Handy aus.
Wie nennt sich das Studienfach?
Medien und Musik!
Gibt es schon ein Thema für die Masterarbeit?
Also ich kann verraten, dass meine Bachelorarbeit sich um Gender Dynamiken im Metal drehte – es ging darum, wie Metalmusikerinnen die Szene erfahren und wie sich dabei Labels, Fans und andere Akteure einmischen.
Die Bachelorarbeit würde ich gerne lesen. Ich habe schon einige Diskussionen gehabt, die womöglich zum Thema gepasst hätten – vermute ich jedenfalls. Es kann aber auch sein, dass ich vom Gegenstand der Arbeit eine völlig falsche Idee habe. Ich freue mich schon unheimlich auf den Mai im Ufo und ich hoffe, die Bude wird wieder so voll werden wie dieses Jahr. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Das Schlusswort gehört dir.
Zum Schluss möchte ich, ganz nach der Message von Crescendium, sagen: Lauft nicht vor euren Schatten weg denn sie sind der Schlüssel für Transformation, um ins Licht zu gelangen.
Und natürlich: Hört in unser Album rein, dass am 11.11. erscheint!
Danke für deine Zeit – Ich lasse dir die Bachelorarbeit gern zukommen haha.
Das Bergisch Metal Festival wird einfach nur geil und wir freuen uns darauf, neben den anderen deine Band Mortal Peril live zu sehen!